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Die Hauptstadt La Paz - eine Stadt mit Rekorden
La Paz ist die größte und wichtigste Stadt der südamerikanischen Republik Bolivien und kann mit einigen Weltrekorden aufwarten: Mit dem Flughafen in El Alto auf fast 4100 m besitzt die Stadt den höchsten Zivilflughafen auf unserem Globus. Sie ist zugleich auch der höchstgelegene Regierungssitz der Welt (Hauptstadt ist Sucre im Süden Boliviens), und der Höhenunterschied zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Punkt der Stadt sind mit über 1000 m ebenso rekordverdächtig. Doch keine Angst, diese enorme Höhendifferenz muss man nicht zu Fuß zurücklegen, es verkehren unzählige Busse, Taxis und Collectivos (Sammeltaxis) innerhalb von La Paz. Diese Verkehrsmittel prägen somit auch neben der fast unüberschaubaren Anzahl von Verkaufsständen mit alltäglichen Gebrauchsgegenstaenden die Straßen und Gassen.
Die Stadt La Paz im Westen Boliviens mit ihren ungefähr 1,8 Millionen Einwohnern besteht eigentlich aus zwei Stadtteilen, dem auf dem riesigen und flachen Altiplano (so wird die Hochlandebene Boliviens auf 3800 - 4100 m genannt) gelegenen El Alto und des sich in einem riesigen Talkessel befindlichen Zentrums mit sowohl Altstadt als auch modernsten Wolkenkratzern, die schon sehr an europäische Verhältnisse erinnern. Vom Talkessel aus ziehen sich unzählige armselige Bretterhütten die Hänge bis El Alto und auf der anderen Seite bis ins Gebirge hinauf.
Daher bietet La Paz aufs Erste nicht gerade ein sehr homogenes Stadtbild wie etwa eine europäische Stadt; doch gerade das Nebeneinander von Tradition und Moderne, indigener Märkte, kolonialer Altstadt, Boutiquen und Geschäftshäusern schaffen eine besondere, ja fast schon faszinierende Atmosphäre, in der Indigenas und Mestizen (Mischlinge), Criollos (Spanischstämmige) und auch Europäer nebeneinander leben. Unverkennbar über alldem thront der gewaltige Illimani, mit 6462 m der höchste Berg des im Osten an das Altiplano angrenzenden Gebirgszuges der Cordillera Real.
Geschichte von Bolivien und La Paz
Während der Herrschaft der Inkas, deren Imperium sich von der Hauptstadt Cuzco in Peru bis nach Kolumbien im Norden und bis weit hinein nach Chile erstreckte, war Bolivien Teil in diesem riesigen Reich. In den Jahren 1532-1535 eroberten die Spanier weite Teile des Inkaimperiums und damit auch Bolivien. Auf dem Boden einer alten Inkasiedlung namens Choqueyapu wurde am 20. Oktober 1548 zum Gedenken an einen verhinderten Indianeraufstand die "Stadt unserer Frau des Friedens" La Ciudad de Nuestra Señora de La Paz gegründet; Trotz der ungünstigen Höhenlage von fast 4000 m entwickelte sich La Paz in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten zur größten und wichtigsten Stadt in Bolivien und auch zum kulturellen Zentrum des Landes. Vor allem die verkehrsgünstige Lage am Kreuzungspunkt des spanischen Silberweges von Potosi (mit 4062 m noch vor La Paz die absolut höchste Großstadt der Welt) nach Peru und dem Coca-Handelsweg aus den Yungas (Berg- und Nebelwälder am Ostabhang der Gebirge) trugen dazu bei.
Als Simon Bolivar am 6. August 1825 die Unabhängigkeit erklärte und die Republik Bolivien gründete, wurde allerdings nicht La Paz, sondern das im Süden auf 2790 m liegende Sucre Hauptstadt. Doch besitzt Sucre diese Bezeichnung heute nur noch nominell, denn fast alle Funktionen gingen an La Paz verloren, das 1899 bereits Regierungssitz wurde. Somit ist La Paz auch das politische Zentrum Boliviens mit Parlamentsgebäude und Präsidentenpalast.
Flug und Ankunft in La Paz
Normalerweise wird der größte Teil der Reisenden und Touristen, die von Europa nach La Paz wollen, mit dem Flugzeug anreisen. So fliegen vor allem IBERIA, LANChile und VARIG, meist mit Zwischenstopp in Rio de Janeiro bzw. Sao Paulo, oder auch über Miami den höchstgelegenen Flughafen der Welt an.
So auch im August 2004, als sich eine Gruppe von 7 Bergsteigern vom Frankfurter Flughafen für gut zwei Wochen nach Bolivien aufmachte. Einige von uns hatten bereits einen Zubringerflug aus Zürich und München hinter sich, als man sich in Frankfurt traf; Nicht nur unser üppiges Gepäck, sondern vor allem die volle Bergsteigermontur mit Bergstiefeln, Berghose, Gore-Tex Anorak und Fleecejacke, in der jeder wegen der Übergepäcksgrenze von 20 kg steckte, und das auch noch bei über 30°C im Schatten, zogen staunende Blicke zahlreicher Fluggäste und Flughafenbediensteten auf uns.
Mit der brasilianischen VARIG ging es dann in einem Airbus fast 10.000 Kilometer über den Atlantik bis nach Sao Paulo, wo wir nach 12 Stunden auf dem Flughafen dieser über 10 Millionen Einwohner zählenden brasilianischen Metropole im Morgengrauen landeten. Nach 5 Stunden Zwischenaufenthalt hob unser Flieger, diesmal ein ziemlich klappriges Teil, Richtung La Paz ab. Nach einem weiteren Zwischenstopp in Santa Cruz mitten im bolivianischen Tiefland (vor dem Öffnen der Tür wurde ein Mittel gegen Malariamücken versprüht) näherten wir uns endlich unserem Ziel: La Paz.
Jeder von uns war ziemlich aufgeregt, war es die Freude endlich am Ziel zu sein, der angeblich traumhafte Anblick des Altiplanos und der Berge aus dem Flugzeug, oder doch die Unwissenheit, wie unser Organismus auf die ungewohnte und plötzlich erreichte Höhe von 4100 m reagieren würde. Das entspricht immerhin den Gipfelhöhen der meisten 4000er in den Alpen! Wir hatten zuvor von Leuten gehört, die tagelang mit Kopfschmerzen und Übelkeit im Bett lagen oder wegen akuter Höhenkrankheit ärztlich versorgt werden mussten.
Kurz vor der Landung zeigte sich das Altiplano Boliviens mit seiner vollen Größe und Schönheit, und dahinter erhoben sich die schneebedeckten Gipfel der Cordillera Real. Aufgrund der Höhenlage der Landebahn und des damit geringeren Luftdrucks brauchen größere Flugzeuge nahezu 5 Kilometer, um abzuheben bzw. abzubremsen. So waren wir auch froh, als wir endlich standen, denn wir dachten schon, die Bremsen seien defekt und wir landen gleich in den Häusern.
Danach das Übliche, Aufenthaltsstempel bei der Einwanderungsbehörde abgeholt, Passkontrolle, Warten aufs Gepäck, wobei erstaunlicherweise alles angekommen ist. Und auch erstaunlicherweise keine größeren Atemprobleme, sondern eher befreiende frische Luft. Aber meistens macht sich eine Höhenkrankheit erst nach einiger Zeit bemerkbar, also abwarten.
Wir wurden von unserem Reiseleiter für die erste Woche, Erich Hochhäuser, halb Österreicher, halb Bolivianer begrüßt, bestiegen den Taxibus und fuhren mitten ins Verkehrsgetümmel von El Alto. Fast 95% aller Fahrzeuge in La Paz werden als Taxi benutzt, also zu Fuß gehen muss man hier nicht und dementsprechend voll sind auch die Straßen. Und auf Fußgänger große Rücksicht genommen wird dabei ohnehin nicht!
Am Übergang von El Alto in den großen Talkessel, bei einer Mautstelle, bot sich uns dann ein beeindruckender Blick: Häuser so weit das Auge reicht, die Berge Huayna Potosi und Mururata, und dahinter der alles dominierende Illimani. Nach kurzem Fotostopp setzten wir unsere Fahrt, fasziniert von alldem, über eine Art Stadtautobahn bis ins Zentrum und unserem Hotel Radisson Plaza direkt am Prado, dem Herzen von La Paz, fort. Dort tranken wir zuerst einmal einige Tassen Cocatee; dieser soll dabei helfen, mit der ungewohnten Höhe besser zurecht zu kommen und Kopfschmerzen zu vermeiden. Und es schien tatsächlich so zu sein: Keiner von uns merkte die Höhe.
Den Nachmittag verbrachten wir erst mal mit dem Wechseln von Dollars bzw. Euros in Bolivianos (10 Bolivianos entsprechen ungefähr einem Euro; es gibt auch zahlreiche EC-Automaten), mit ersten kleineren Spaziergängen bis zur Plaza San Francisco, mit einem Besuch im empfehlenswerten Cafe La Terazza, und vor allem mit Wasser kaufen, um das aufgrund der Sauerstoffarmut sich eindickende Blut (durch die erhöhte Anzahl von roten Blutkörperchen zum Sauerstofftransport) mit viel Trinken etwas zu verflüssigen. Der Nachteil dieser vermehrten Flüssigkeitsaufnahme sollte sich dann nachts jedoch bemerkbar machen: Man musste ständig auf die Toilette gehen!
Unsere erste bolivianische Mahlzeit nahmen wir in der urigen Gartenkneipe Club de la Prensa in einer Nebengasse des Prados zu uns; und dazu ein kühles Cervezza; in La Paz wird ein vorzügliches Bier gebraut, von dem sogar verwöhnte Bayern nicht abgeneigt waren! Nach einer ruhigen erholsamen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück waren wir voller Tatendrang, die ersten Ausflüge und insbesondere einen Stadtrundgang zu unternehmen.
Ein Stadtrundgang in La Paz
Die Stadt La Paz bietet für den Reisenden und Kulturinteressierten eine derart große Fülle an Erlebenswertem und Sehenswürdigkeiten wie Kirchen, geschichtsträchtige Plätze und Straßen, Museen (über 15), bunten Indiomärkten, Gartenanlagen im unteren Stadtviertel und vieles weitere mehr, so dass dafür sicher mehrere Tage einzuplanen sind, möchte man dies alles besichtigen und vor allem auch vom Leben der Menschen und dem besonderen Flair dieser Stadt zu erfahren. Normalerweise wird man in La Paz aber nicht mehr als ein bis zwei Tage bleiben, sondern man fährt zum Titicacsee im Nordosten und weiter nach Peru, reist in den Süden Richtung Salar de Uyuni und Atacamawüste, besucht den Urwald des Amazonasbeckens, oder man begibt sich auf Trekking– und Bergtouren in die einsame und raue Hochgebirgswelt der Anden.
Im folgenden halbtägigen Stadtrundgang werden vom Prado aus die wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Stadtzentrums erkundet. Er ist sehr gut zu Fuß möglich, und dies ist auch empfehlenswert, denn durch etwas Bewegung gewöhnt man sich besser an die Höhe und man erlebt den Trubel, den Alltag der Menschen lebendiger als vom Sitzplatz einer der zahlreich verkehrenden Stadtrundfahrt-Busse aus. Der Vorteil einer Rundfahrt sind sicher die Erklärungen und Erläuterungen des Reiseleiters, doch man ist von den Sehenswürdigkeiten sehr fasziniert und kann meistens die vielen Informationen dazu gar nicht aufnehmen. Mit Hilfe der nachfolgenden Beschreibungen und eventuell eines Reisehandbuches sollte man auch ohne einen Stadtführer ganz gut zurecht kommen.
Beginnen wir unseren kleinen Stadtrundgang am Paseo El Prado, kurz Prado genannt. Er ist sozusagen die Flaniermeile und die Lebensader von La Paz, die sich über eine Länge von mehreren Kilometern von der Avenida Montes im Norden bis zur Avenida Arce im Süden erstreckt und das Zentrum in zwei Bereiche aufteilt, auf der einen Seite das Indigenaviertel mit unzähligen Märkten und auf der anderen Seite das spanisch geprägte Viertel mit den Staatsgebäuden. Der schönste Teil des Prados ist der Abschnitt von der Plaza San Francisco bis zur Plaza del Estudiante. Dort wechseln sich am Rand der meist mit Autos und Bussen zugestopften Fahrbahn modernste Hochhäuser und Hotels mit prachtvollen Kolonialhäusern ab; Cafés, Imbissbuden und Restaurants reihen sich aneinander, und beinahe alle zehn Meter sitzt eine alte und vom harten Leben gezeichnete Indiofrau vor ihrem kleinen Verkaufsstand.
Im Bereich um das Denkmal von Simon Bolivar besitzt der Prado einen begrünten Mittelstreifen, auf dem sogar Palmen angepflanzt wurden, und man hat eher das Gefühl, an der Côte d'Azur als in Bolivien auf 3600 m zu sein. Mich faszinierte besonders die Sauberkeit der Straße und der Gehwege im Vergleich zu europäischen Großstädten, und dafür sorgen grüne Marsmenschen (sie schauen in ihren grünen Overalls wirklich so aus), die nur damit beschäftigt sind, jeden kleinsten Dreck sofort zu beseitigen.
Vom Bolivar-Denkmal folgen wir dem Prado Richtung Plaza San Francisco biegen nach rechts in die Calle Yanacocha im Spanierviertel und gelangen zur Plaza Murillo, dem wichtigsten Platz der Altstadt. Am Rande des nach dem Rebellenfuehrer Murillo benannten Platzes, der hier 1810 gehängt wurde, befindet sich der Präsidentenpalast, das im klassizistischen Stil erbaute Parlamentsgebäude und eine nach Jahrhunderte langer Bauzeit erst 1988 fertiggestellte Kathedrale. Im Laufe der Zeit war die Plaza Murillo Schauplatz weiterer Hinrichtungen, wobei auch vor Staatsoberhäuptern nicht Halt gemacht wurde, und so geht Bolivien mit über 200 gewaltsamen Machtwechsel seit 1826 in die Geschichte ein.
Zeugnisse des letzten großen Aufstandes mit späterem Präsidentenwechsel im Jahr 2003 sind an einem Haus gegenüber dem Parlamentsgebäude gut zu erkennen: Dort befinden sich an der Fassade Einschusslöcher, entstanden bei gewaltsamen Unruhen zwischen Polizei und Militär mit zahlreichen Toten; die Gründe dafür waren Sozialabbau, Steuererhöhungen und die ständige Benachteiligung der indigenen Bevölkerung, aber auch der umstrittene Export von Erdgas in die USA. Mit der Amtseinführung von Präsident Carlos Mesa im Oktober 2003 hat sich die Lage weitgehend wieder beruhigt. Bei unserem Besuch im August 2004 tummelten und vergnügten sich Jung und Alt friedlich auf diesem geschichtsträchtigen Platz, und man kann nur hoffen, dass es auch weiterhin so bleibt.
Unser nächstes Ziel ist die idyllische Gasse der Calle Jaen. Diese erreicht man, wenn wir von der Plaza Murillo kurz der Calle Comercio, am Kunstmuseum vorbei, bis zur Calle Yanacocha folgen. Nun gehen wir rechts hinauf und erreichen nach der Iglesia Santo Domingo die Calle Indaburo. Linkerhand am Stadttheater vorbei gelangen wir schließlich in die Calle Jaen; Wir befinden uns hier in der vielleicht schönsten und ursprünglichsten Gasse von La Paz, man fühlt sich durch die einheitlichen Fassaden der kleinen Häuschen, dem Fehlen jeglicher Stromleitungen und dem Kopfsteinpflaster um Jahrhunderte in der Zeit zurückversetzt.
In einem Haus mit schönem Innenhof wohnte einst der Freiheitskämpfer Pedro Domingo Murillo, empfehlenswert ist der Besuch des kleinen Museums. Mussten wir bis hierher stets bergauf gehen, so führt unser Weg nun hinab zur Avenida Montes und über die Plaza Velasco zur Plaza San Francisco mit der gleichnamigen Kirche; Auf diesem Platz finden oft Kundgebungen und Konzerte statt, oder wie wir erstaunt feststellen konnten, auch eine Veranstaltung des Hundevereins mit einer kollektiven Impfung der Tiere: Wir wunderten uns schon die ganze Zeit, warum im Zentrum so viele Hunde mit ihren Herrchen umherlaufen, nun hatten wir die Antwort darauf!
Die Basilika San Francisco datiert auf das Jahr 1549 und wurde 1744 in die heute sichtbare barocke Form gebracht. Zum Bau wurden sogar Steine der Ausgrabungsstätte von Tiwanaku verwendet, und die Fassade wurde durch indigene Steinmetze reich verziert. Wir hatten das Glück und konnten im Innern der Kirche einem Gottesdienst beiwohnen. Obwohl die große Mehrheit der Bevölkerung katholischen Glaubens ist, herrschte eine ganz andere, für mein Gefühl viel lockerere Atmosphäre als bei uns während des Gottesdienstes, der hier durch wohlklingende Musik untermalt wurde.
Nach der wohltuenden Ruhe der Kirche befinden wir uns nach wenigen Schritten am Anfang der Calle Sagarnaga, der berühmten Einkaufsstraße von La Paz und bereits mitten im Trubel des Marktviertels. Der Bereich der C. Sagarnaga bietet vor allem dem Touristen eine fast unüberschaubare Anzahl an unterschiedlichsten Mitbringsel und Souvenirs. Das Angebot reicht von warmen Pullovern, Mützen und Umhängen aus Alpakawolle, von verschiedensten Kunstgegenständen und schönem Silberschmuck über traditionelle Musikinstrumente wie etwa Panflöten bis hin zu Decken und Umhängetaschen in schillernden Farben, und vieles weitere mehr.
Wenn es nicht eine Gepäckgrenze beim Rückflug geben würde, man könnte kofferweise all diese schönen Sachen mit nach Hause bringen, vor allem, weil sie im Vergleich zu Europa sehr billig sind. Man bekommt z.B. einen warmen Alpakapullover für umgerechnet zehn Euro, bei uns bezahlt man dafür 80-100 Euro! Zudem machte es mir richtig Spaß, trotz meiner bescheidenen Spanischkenntnisse mit den immer freundlichen Menschen zu handeln, und zu sehen, dass am Schluss beide Seiten mit dem Handel zufrieden waren. Man muss sich nur trauen, um den Preis zu verhandeln!
Folgen wir der C. Sagarnaga weiter bergauf, so gelangen wir nach rechts in die Calle Linares, der sogenannten Zaubergasse. Dort sitzen alte Indiofrauen, mit von Wind und Wetter zerfurchten Gesichtern, vor ihren kleinen Verkaufsständen mit allerlei Pülverchen, Kräutern, Elixieren, eingelegten Tieren, die Krankheiten und böse Geister vertreiben sollen. Besonders makaber fand ich die zahlreich angebotenen Lamaembryos, doch sie sollen nach dem Glauben der Indios beim Neubau eines Hauses, in alle vier Ecken eingemauert, den Bewohnern Glück bringen. Dort hat der Spruch "andere Länder, andere Sitten" ein wahre Bedeutung!
Vorsichtig sollte man beim Fotografieren der Marktfrauen bzw. generell von Frauen sein! Durch die Abbildung ihres Gesichtes nimmt man den Frauen ihrer Meinung nach ihre Seele, und so drehen sie sich meistens blitzartig weg, sobald sie einen Fotoapparat sehen. Daher ist hier etwas Fingerspitzengefühl gefragt bzw. man fotografiert möglichst unbemerkt, oder die Seele kann man auch ganz schnell mit einem Boliviano zurückgeben und es wird sogar noch in die Kamera gelächelt!
Nach diesem kleinen Ausflug ins Reich der Kräuterhexen und Zauberinnen lohnt sich ein Abstecher in die blaue Budenstadt im Bereich der Calle Santa Cruz. Diese erreichen wir, wenn wir der "Hexengasse" bis zu ihrem Ende folgen. Wir befinden uns ploetzlich in einem Labyrinth von Marktständen, die alle mit blauen Plastikplanen überdacht sind, und man kennt sich bald wirklich nicht mehr aus, von welcher Richtung man gekommen ist. Zu unübersichtlich sind die kleinen verzweigten Gassen, in denen Schuhe jeder Art, vom Turnschuh bis zum besten Lederhalbschuh, modische Kleidung, Jeans, Sportartikel, Schallplatten, CDs, und viele weitere moderne Sachen angeboten werden. Wenn wir dann, hoffentlich, nach dem ganzen Durcheinander wieder in der Calle Santa Cruz gelandet sind, gehen wir am besten durch die Hexengasse zurück zur C. Sagarnaga, um dem auf der anderen Straßenseite beginnenden Obst- und Gemüsemarkt einen Besuch abzustatten.
Viele werden sich bestimmt fragen, warum es so viele verschiedene Märkte und kleine Verkaufsstände im indigenen Teil von La Paz gibt. Die Antwort darauf liegt in der Lebensmentalität der indigenen Stadtbevölkerung. So verbringt diese den ganzen Tag mehr oder weniger auf der Straße! Nur nachts ziehen sie sich in ihre Häuser oder Bretterhütten zurück. Dadurch gibt es, außer im reicheren unteren Teil der Stadt, so gut wie keine Einkaufscentren oder Supermärkte in La Paz, gehandelt wird auf der Straße! Und oft ist es für die arme Bevölkerung die einzige Möglichkeit, durch die bescheidenen Einnahmen aus ihrem kleinen Verkaufsstand mit allerlei Krimmskramms zu Überleben.
Besonders auffällig ist auch die Konzentrierung von Waren auf bestimmte Marktviertel. So beherbergt eine Gasse nur Geschäfte mit Elektrogeräten, in der nächsten gibt es nur Frisöre, eine Straße weiter ist neben dem Fisch der Fleisch- und Wurstmarkt, wo zwischen den Ständen mit aufgehängten Schweine- und Rinderhälften umherstreunende Hunde nach etwas Essbarem suchen - nicht gerade sehr appetitlich - oder das Fleisch gleich ohne Kühlung auf einem Tisch angeboten wird.
Einer der wichtigsten und größten Märkte ist der Obst- und Gemüsemarkt, auf dem wir uns nun befinden. Auch wer das vielfältige Angebot des Münchener Viktualienmarktes kennt, der wird aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Hier nur eine kleine Auswahl der angebotenen Waren: Dutzende Kartoffelsorten (Bolivien gilt als Ursprungsland der Kartoffel), jegliche Arten von Gemüse (einiges davon uns unbekannt), Erdnüsse (dreimal so groß wie in Europa), riesige Papayas, Ananas und Mangos, Bananen, so weit das Auge reicht. Und dabei vom Geschmack her nicht mit der importierten Ware bei uns zu Hause vergleichbar, die Bananen und Papayas waren nahezu göttlich für unsere Gaumen!
Weiter werden hier neben unterschiedlichsten Gewürzen, Honig, getrockneten Gewürzen vor allem auch säckeweise Cocablätter angeboten. Unser Reiseleiter weihte uns sogleich in die Praxis des Cocablätter-Kauens ein, dabei werden etwa 15 Blätter mit etwas alkalischer Pflanzenasche (Lejia) gekaut, und durch den Speichel wird das in den Blättern enthaltene Kokain in das Alkaloid Ecgonin umgewandelt; Aber keine Angst! Man wird dadurch weder high noch süchtig, dafür ist die Wirkstoffmenge viel zu klein, sie wirkt aber stimulierend und schmerzstillend. Es war anfangs schon ein eigenartiges Gefühl, als nach etwa fünf Minuten meine Backe und meine Zunge richtig taub wurden, und ich mich mir etwas beschwipst und leichter vorkam. Das Cocablätter-Kauen wird bei den Indigena vor allem in geselliger Runde, während schwerer körperlicher Arbeit oder auch zum Heilen von Krankheiten praktiziert; Es sollte zu einem wohltuenden täglichen Ritual auf unserer Reise werden! In diesem Zusammenhang empfehlenswert ist der Besuch des Museo de la Coca, dieses befindet sich an der Ecke Sagarnaga/Linares.
Mit bleibenden Eindrücken, leider nicht nur schönen (so landet z.B. der Abfall einfach auf der Straße, was bei uns doch manchmal etwas "Nase rümpfen" verursachte) verlassen wir nun das geschäftige und manchmal auch hektische Treiben der Märkte und folgen einer der bergab führenden Straßen bis zur Calle Murillo. Hier befinden sich noch zahlreiche Häuser im kolonialen Stil mit schönen Verzierungen an den Wänden, doch viele der einst prächtigen Gebäude sind mittlerweile renovierungsbedürftig, wofür aber leider das nötige Geld fehlt. Auffällig ist, und das fast in ganz Bolivien, das für unsere Augen ziemliche Durcheinander bei den Stromleitungen. Doch anscheinend kennen sich die Elektriker ganz gut damit aus...
Wir beenden nun unseren kleinen Stadtrundgang und erreichen noch etwas bergab gehend wieder unseren Ausgangspunkt, den Prado. Nachdem wir uns in den letzten Stunden durch die Erkundung der Stadt zu Fuß durchaus etwas körperlich betätigt haben und mittlerweile sicher auch hungrig sind, so finden wir in La Paz ein überaus großes Angebot an kulinarischen Köstlichkeiten.
Essen, Unterkunft und Unterhaltung in La Paz
Eine Reise in andere Länder und andere Kulturkreise ist auch oft verbunden mit einer Reise in die uns meist unbekannte und ungewohnte Landesküche mit ihren typischen Zutaten und Gerichten, und für viele macht dies sogar einen besonderer Reiz an einer Fernreise aus.
Deshalb erkundigte ich mich bereits vor dem Abflug in diversen Reiseführern, was mich kulinarisch in Bolivien in etwa erwarten würde; was ist ähnlich zu unserem Essen, was ist anders, und wie weit hat sich das amerikanische Fastfood (Namen werden hier nicht genannt!) auch in Südamerika verbreitet. Ich las da von unterschiedlichsten Kartoffel- und Maisgerichten, von Quinoa (hatte ich vorher noch nie gehört), vielen Schweine- und Hühnerfleischgerichten, von bolivianischen Fastfood aus den Garküchen, und zu meinem Erstaunen von Meerschweinchen- und Lamafleisch. Na dann war ich mal sehr gespannt, wie so ein spuckendes Lama wohl schmecken würde und was sonst noch so alles überraschenderweise auf den Tisch kommt!
Um es schon mal von vornherein zu sagen, zu unserer Besuchszeit gab es in La Paz nur ein einziges amerikanisches Fastfood-Restaurant. Die Burger-Ketten eröffneten zwar zahlreiche Filialen, doch bis auf eine wurden alle wegen zu geringer Nachfrage wieder geschlossen. Wer dennoch nicht auf seinen geliebten Hamburger verzichten möchte, der findet am Prado auch einige Imbissbuden, wo für weniger als einen Euro wirklich sehr schmackhafte Burger gebraten werden.
Für den schnellen Snack zwischendurch bieten sich in La Paz besonders die Garküchen an, die hauptsächlich auf den Märkten zu finden sind. Dort bekommt man für Centbeträge lecker gebratene Maiskolben und wie der Name schon sagt, gegartes Gemüse. Nicht entgehen lassen sollte man sich frisch frittierte Papas Fritas, wir würden dazu Kartoffelchips sagen. Vom Geschmack her einfach nicht mit den Chips bei uns aus dem Supermarkt vergleichbar. Wer mehr auf etwas Süßes und Kekse als Snack steht, der findet bei den kleinen Verkaufsständen ein reichhaltiges Angebot. Dort besteht auch die beste Möglichkeit, sich mit Wasser und Limonaden einzudecken, nur der Verkauf von Alkohol ist auf der Straße strengstens verboten, dafür gibt’s kleine Getränkemärkte.
Ein guter Tipp für ausgezeichnete Kaffeespezialitäten ist das Café La Terazza direkt am Prado, zudem bekommt man hier große Kuchenstücke und leckere Sandwiches. Wenn einen dann abends der große Hunger einholt wird man vor die Qual der Wahl gestellt, was man genau essen möchte. Vor allem am Prado gibt es neben einheimischer Küche auch typisch europäische Gerichte wie Pizzas und Nudeln, und auch einige chinesische Restaurants. Will man richtig traditionell bolivianisch und dazu noch preiswert essen, dann sind die Gaststätten im Indigenaviertel eine gute Wahl. Unser Reiseleiter gab uns den Tipp, in der Casa del Corregidor in der C. Murillo gebe es ausgezeichnete Meerschweinchen, doch leider hatte diese geschlossen, und so blieb es mir leider verwehrt (oder vielleicht zum Glück auch erspart), eines dieser Tiere zu kosten.
Dafür aßen wir dann in einem etwas nobleren Restaurant am Prado (leider weiß ich den Namen nicht mehr) Lamasteak, dazu Süßkartoffeln, Manniok und Quinoa, das ist ein sehr proteinhaltiges Getreide. Das Lamafleisch war schön weich, vom Geschmack her zwischen Rind und Wild, und besonders für Ernährungsbewusste zu empfehlen, da sehr cholesterinarm. Mir schmeckte es ausgezeichnet, obwohl ich dabei mit diesen netten Tiere auch Mitleid hatte. Für dieses Gericht mit vorherigem Salatbuffet, und dazu noch live gespieltem Piano im Hintergrund, bezahlte ich in etwa 5 Euro. Wie man sieht, kann man in La Paz auch für wenig Geld sehr nobel essen gehen.
Der Geflügelliebhaber unter den Reisenden wird an den Polioerien kaum vorbei kommen; dort findet man die verschiedensten Hähnchengerichte auf der Speisekarte. Zum Essen dazu empfiehlt sich neben dem vorzüglichen Bier auch mal eine Flasche bolivianischer Wein, obwohl er im Vergleich zu den Speisen nicht gerade billig ist. Weinanbau ist in Bolivien noch relativ neu und unbekannt, doch dass man mit südamerikanischem Wein auf dem Markt mithalten kann zeigen die Nachbarländer Chile und Argentinien eindrucksvoll.
Ein unbedingtes Muss für den Touristen in La Paz ist der Besuch einer Peña, das ist eine Folkloreshow, bei der in überaus bunten bolivianischen Trachten zu traditioneller Andenmusik getanzt und gesungen wird, während der Zuschauer genüsslich sein Essen zu sich nimmt. Wir konnten diese spektakuläre Darbietung in der Peña Huari in der C. Sagarnaga bewundern, und ich selbst durfte sogar mit einer hübschen Bolivianerin das Tanzbein schwingen, was mich aufgrund der Höhenlage von La Paz ganz schön außer Atem brachte. Die Belohnung dafür war ein Schnaps aus einem Gefäß mit einer eingelegten Schlange - wohl bekomms!
Dass dieses Spektakel eine reine Touristenattraktion darstellt merkt man dann leider wenn es ums Bezahlen geht, da fühlt man sich von den Preisen her ganz schnell wieder wie zu Hause. Nach diesem kleinen Schock spazierten wir trotzdem ausgelassen über den um Mitternacht immer noch stark bevölkerten Prado, genossen das nächtliche La Paz zurück zu unserem Hotel Radisson Plaza, einem 5-Sterne Hotel direkt am unteren Ende des Prados. Leider war dies ein ziemlich unansehlicher Betonklotz, und für die große Anzahl an Sternen waren die Zimmer relativ nüchtern ausgestattet; so richtig wohlgefühlt haben wir uns dort nicht. Dafür gab es morgens ein sehr reichhaltiges Frühstück mit allen erdenklichen Kostbarkeiten, so dass wir gut genährt in den neuen Tag starten konnten. Da wir uns alle bei einem deutschen Reiseveranstalter eingebucht hatten, konnten wir die Wahl des Hotels nicht beeinflussen. Ich möchte nicht sagen, dieses Hotel ist gar nicht empfehlenswert, doch meiner Meinung nach ist für die etwa 100 Euro pro Nacht zu wenig geboten.
Für den Individualreisenden und kleinen Geldbeutel gibt es in La Paz viele Hostales, in denen man eine einfache Unterkunft für um die zehn Euro findet. Wer es doch etwas gehobener, aber trotzdem noch erschwinglich möchte, dem sei das Hotel Residencial Rosario in der Avenida Illampu empfohlen. Wir selbst übernachteten zwar nicht in diesem Hotel, aber wir machten mit dem Zweighotel des Rosarios in Copacabana sehr gute Erfahrungen. Das Hotel ist in einem etwas an die Toskana erinnernden Stil gebaut, verfügt über gemütliche und saubere Zimmer, und ist für die gebotenen Leistungen mit ca. 35 € pro Nacht mit Frühstück sehr preiswert.
Ein weiterer Tipp ist das Hotel Oberland, im unteren Bereich von La Paz auf etwa 3200 m am Eingang zum Valle de la Luna gelegen, und somit ideal für denjenigen, der es etwas ruhiger mag oder Probleme mit der Höhenanpassung hat. Das Hotel mit schönem Garten und überwiegend deutschsprachigen Gästen wird von einem Schweizer vorbildlich geführt, wir genossen dort einmal ein vorzügliches Mittagessen und waren damit sehr zufrieden. Man erreicht das Hotel nach etwa 20-minütiger Taxifahrt ab Stadtzentrum.
Nachdem wir die beeindruckende und faszinierende Stadt La Paz etwas näher kennen gelernt, einen kleinen Einblick in das Leben der Stadtbevölkerung bekommen haben, und uns vor allem akklimatisiert haben brechen wir schließlich auf, um die Umgebung von La Paz näher zu erkunden.
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Autor: Flori Forster; Copyright: Patrick Wagner, www.urlaube.info
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